Projektbescriebung Russian
ALWAYS DO RIGHT,
THAT WILL GRATIFY SOME PEOPLE
AND ASTONISH THE REST.
Mark Twain
Wir gehen davon aus, dass gesellschaftliches Denken und gesellschaftliche Realitaet eine unauflosbare Einheit bilden und dass jedes Konzept zur Erklarung von logischen Zusammenhangen gesellschaftlicher Erscheinungen Teil dieser Zusammenhange ist und schon deshalb von bestimmten Interessen gepragt sein muss. Sinnstiflende Konzepte konnen ihre ueberzeugungsfahigkeit (und/oder ihre Nutzlichkeit) verlieren, sie entbehren dann der Rezepuonsfahigeit und werden gegen neue ausgelauscht. Dieser Vorgang, den wir als Rezeptionsbruch bezeichnen, wird oft von sehr kleinen intellektuellen Gruppen unternommen, und muss nicht notwendig mit der historischen Realitaet uebereinstimmen. Er muss aber als historische Realitaet rezipiert werden. Gesellschaftlich-historische Realitaet (bzw. Fiktion) sollte deshalb in der Analyse nicht von der Rezeption dieser Realitaet (bzw. Fiktion) getrennt werden. Jede Analyse realer historischer Phaenomene, die darauf verzichtet, die Dimension gesellschaftlicher Rezeption dieser Phaenomene als Bestandteil des Phanomens zu betrachten, und statt dessen glaubt, unmittelbar zum Phanomen vordringen zu konnen, wird zwangslaeufig an dieser inharenten Zweidimensionalitat historischer Erfahrung scheitern.
Wir denken, dass der Zivilisationsprozess in seinem elementaren Kern bislang nicht ueberzeugend plausibilisiert werden konnte, weil es Rezeptionsbruche gab, auf die neue Konzeptionen folgten, die starker an Legitimitat und Identifikation interessiert waren, denn an historischer Wahrheit. Die modernen Gesellschaftswissenschaften sind bislang vor allem Antworten auf die Frage schuldig geblieben, welches die entscheidenden Faktoren und Determinanten waren, die den Zivilisationsprozess gefoerdert bzw. behindert haben.
Die Arbeit versucht dies zu leisten, indem sie zu einer streng evidenzorientierten Methode zuruckfindet, wie sie z. B. Moses Finley fur die antike Geschichtsschreibung wiederholt eingeklagt hat. Dazu werden die Quellen aber auch ihre Tradierung in ein direktes und offenes Spannungsverhaltnis gesetzt, ohne sich die Analyse durch einige verfestigte, aber teilweise irrationale Glaubensinhalte der Sekundarliteratur kontaminieren zu lassen. Ein solches rein induktives Vorgehen, unter weitgehendem Verzicht darauf, von einem System von Vorurteilen her zu deduzieren, fuehrt zu einer rationaleren Erklarung historischer Phaenomene und hat nur den einen Nachteil, den wir billigend in Kauf genommen haben: es macht mehr Arbeit. Bei gesellschaftlichen Phaenomenen die durch Quellen ueberhaupt nicht dokumentiert werden konnen, haben wir versucht, ueber den Umweg der Hilfswissenschaften (Palaographie, Numismatik, Sprachgeschichte u.a.) zu neuen Erkenntnissen zu kommen.
Theorien zu operationalisieren, wie es Karl Popper gefordert hat, indem man sie nicht zu verifizieren sucht, sondern systematisch auf ihre Falsifizierbarkeit ueberpruft, kann nicht ausreichend sein, solange man die gesellschaftliche Dimension der Idee selbst unberucksichtigt lasst. Und wenn Finley die Frage nach der Funktion der schriftlichen Quelle in den Mittelpunkt stellt, also fragt "warum sie geschrieben wurde" (Finley, 127), dann ist selbst das unseres Erachtens zu kurz gegriffen. Die entscheidende Frage scheint uns die nach der Rezeption der Quelle, der implizierten Botschaft und dem sozio-oekonomischen Nutzen fur die Rezipienten zu sein. Auf diese Weise erhalt man Informationen ueber die tatsachliche gesellschaftliche Funktion der historischen Texte.
Dabei sollte man jedoch einen Fehler vermeiden, den
Intellektuelle regelmaessig machen: Die Verabsolutierung der Texte. Ein wichtiger Antrieb
menschlichen Verhaltens ist aber nicht in den Texten zu finden. Es spricht viel fur die
Annahme, dass es gerade die gewalttatige anthropologische Disposition des Menschen ist,
die lange jeden zivilisatorischen Fortschritt verhindert hat. Die Geschwindigkeit der
Entwicklung der Zivilisation in Friedensphasen (z.B. zwischen 1870 und 1914 und von 1945
bis heute) muss einen nachdenklich machen. Offensichtlich erlebt die Menschheit in dem
Moment einen ungeheuren Aufschwung, da sie aufhoert auf sich einzupruegeln.
Von einer tragischen Faszination ist, dass dieser einfache Zusammenhang offensichtlich
unglaublich schwer zu begreifen ist und die historischen Intellektuellen sogar
ublicherweise das Gegenteil propagiert haben. Jacob Burckhardt, der Starhistoriker des
deutschen Historismus, etwa: "Ein Volk lernt wirklich seine Nationalkraft nur im
Kriege, im vergleichenden Kampf gegen andere Voelker kennen (..) Der lange Frieden bringt
(..) Entnervung hervor." (z.n. Finley, 85)
Und auch die scheinbare Negation des deutschen Historismus, der Marxismus, sieht den Krieg
als naturliche Form menschlichen Verhaltens: "Der Krieg ist dalier die grosse
Gesamtaufgabe, die grosse gemeinschaftliche Arbeit, die erheischt ist", schreibt
Marx. (z.n. Finley, 91)
Es ist erschreckend zu sehen, dass die Apotheose der Gewalt regelmassig mehr Anhanger gefunden hat, als friedlichere Formen des Zusammenlebens. Wenn aber die Geschichte der Menschheit als eine Geschichte ihrer kontinuierlichen Gewalttatigkeit erscheint, in der Friedenszeiten die Ausnahme sind, dann ist es denkbar, dass diese anthropologische Disposition auch unsere Zukunft bestimmen wird.
Auf der Suche nach dem zivilisatorischen Kern historischer Entwicklung haben wir uns also um ein evidenzorientiertes Herangehen bemuht, das schon aufgrund seines Forschungsgegenstandes interdisziplinar betrieben werden muss. Und wenn die Arbeit in ihrem Ergebnis moglicherweise originell erscheint, so ist diese Originalitat im Grunde rein synoptischer Natur. Die internationale Forschung vor allem der letzten zwanzig Jahre hat viele neue Paradigmen fur die Unhaltbarkeit der herrschenden historischen Lehre vorgestellt, ist aber, vermutlich auf Grund des selbstauferlegten Vollstaendigkeitsgelubdes, nicht in der Lage, einen synoptischen, aber notwendig unvollstandigen Ansatz fur eine neue theoretische Fundierung des Zivilisationsprozesses zu entwickeln. Wenn wir in unserer Arbeit versuchen, Ansatze fur einen Paradigmenwechsel zu skizzieren, so moechten wir doch darauf hinweisen, dass es sich dabei nur um ein notwendig tentatives Herangehen handeln kann.
Im folgenden geben wir einen kurzen ueberblick ueber einige zentrale Elemente unsere Argumentation:
Im ersten Kapitel stellen wir die beiden wichtigsten aktuellen Erklarungsmodelle vor, kritisieren deren Konzept vom langsam aufsteigenden buergertum und entwerfen im Anschluss daran ein Modell, das unserer Meinung nach den Zivilisationsprozess besser erklaeren kann. In diesem Konzept spielt die Kultur des Judentums eine wesentliche Rolle, da wir vermuten, dass die juedische Kulturrevolution die buergerliche Gesellschaft impliziert und generiert hat. Diese Idee steht naturlich im volligen Gegensatz zur allgemein akzeptierten Auffassung, wonach die buergerliche Gesellschaft langsam aber stetig im Verlauf des Mittclalters aus dem Feudalismus herausgewachsen sei.
Im zweiten Kapitel untersuchen wir die (Juellen Tacitus, Josephus und Diogenes Laeruus und weisen auf die grundsaetzlichen Probleme dieser und anderer antiker Quellen hin: dass die Quellen im Mittelalter nicht rezipiert worden sind, die Handschriften-Originale vernichtet wurden und die Quellen sich gegenseitig teilweise erheblich widersprechen. Indem wir uns dann mit der Palaeographie des Miltelalters beschaftigen, versuchen wir unsere Theorie zu plausibilisieren, dass die katholische Kirche im Mittelalter keine kulturell dominierende Rolle spielte.
Im dritten Kapitel beschaeftigen wir uns mit den Quellen Terlullian, Prokop und Widukind und befragen diese Autoren der Spatantike und des fruhen Mittelallers nach ihrer Rezeption der Spaetantike und der Volkerwanderung und stellen fest, dass ihr Bild von der Spatantike nicht mit unserem uebereinstimmt und dass sie keinerlei Kenntnis von einer germanischen Volkerwanderung in Mitteleuropa haben.
Im vierten Kapitel untersuchen wir die Rezeption der Antike in der christlichen ueberlieferung. Wir analysieren dazu das Grundungs-dokuinent des Christentums, das Neue Testament, und stellen fest, dass nur in der Johannes Apokalypse und in den Makkabaer-Buchern Hinweise auf die griechisch-roemische Antike zu finden sind. Diese Hinweise sich aber ueberhaupt nicht mit dem "Wissen" decken, das man heute von der griechisch-roemischen Antike hat.
Im funften Kapitel ueberprufen wir die Rezeption der arabischen Kultur und stellen fest, dass auch der arabischen Kultur die griechisch-roemische Antike vollig unbekannt ist. Ausserdem versuchen wir hier, die Identitat von Aristoteles zu dechiffrieren.
Im sechsten Kapitel geben wir einen kurzen ueberblick ueber die wichtigsten archaologischen Probleme Syriens, Mesopotamiens und Persiens, wobei wir feststellen mussen, dass sich viele Volker und Kulturen inschriftlich nicht nachweisen lassen: insbesondere die Juden, Griechen und Romer. Dass aber andererseits ein religioser Synkretismus und ein relativ einheitlicher "griechisch-roemischer Provinzialstil" festzustellen ist.
Im siebten Kapitel analysieren wir die antiken Munzen und wundern uns ueber die Behauptung, dass die Griechen das Munzwesen erfunden und in den Orient exportiert haben sollen. (Im Orient soll es vorher nur eine primitive Tauschwirtschaft gegeben haben, die aber nicht nachweisbar ist.) Wir wundern uns, dass die Romer keine Munzreform durchfuhrten, sondern ueberall die vorhandenen Systeme uebernommen haben sollen.
Im achten Kapitel untersuchen wir die Hieroglyphen der roemischen Obelisken, mit dem Ergebnis, dass sie einen deutlichen Hinweis darauf geben, dass Rom vermutlich eine Provinz Agyptens war. Wir untersuchen die angebliche religiose Toleranz der Romer, die nicht belegbar ist. Und kommen zu dem Ergebnis, dass alles fur einen antiken Kulturtransfer spricht, in dem der Orient der gebende und das Abendland der empfangende Teil ist.
Im neunten Kapitel beschaftigen wir uns mit der Schrift und Sprache im Orient. Wir kritisieren den Mythos von der griechischen Schriftrevolution und wundern uns, dass das Aramaische die Mutter aller orientalischen Schriften und Sprachen gewesen zu sein scheint, ohne dass es offensichtlich ein aramaisches Volk oder eine aramaische Kultur gab. Selbst die Perser benutzten das Aramaische und nicht die sog. altpersische Sprache, die eine bewusste "Neuschopfung unter dem Einfluss der aramaischen Konsonantenschrift" ist.
Wir plaedieren deshalb im 10. Kapitel dafur, die aramaische Kultur als proto-juedische Kultur und das Judentum als Kulturrevolution zu betrachten, die euie neue pazifistisch-buergerliche Weltordnung zu etablieren sucht. Hinweise dafur finden wir vor allem im Buch Jesaja. Schliesslich glauben wir das archaologisch nachweisbare Bankhaus Egibi und Sohne als die kulturelle Kraft hinter der fiktionalen Idee des Judentums ausmachen zu konnen.
Im 11. Kapitel beschaeftigen wir uns mit der arabischen Fiktion. Wir fragen uns, welches die geostrategischen Faktoren waren, die es den arabischen Beduinen ermoglicht haben sollen, den Rest der Welt ohne grossere Probleme zu erobern. Wir stellen fest, dass es nach der (arabischen) Quellenlage eine erfolgreiche Islamisierung nirgendwo in der arabischen Welt vor dem 12. Jahrhundert gegeben zu haben scheint. Und pladieren dafur, (die proto-juedische Kultur und) das Judentum (und die urchristliche Kultur) als die entscheidende zivilisatorische Kraft zu betrachten, die im Mittelalter dem Abendland die wichtigen oekonomischen, technologischen und kulturellen Impulse gab.
Im 12. Kapitel veranschaulichen und beweisen wir diesen Vorgang am Beispiel der "arabischen-indischen" Mathematik, die in der historischen Realitaet eine agyptisch-babylonische Mathematik zu sein scheint, die ihre entscheidende Synthese (in Usbekistan und) im andalusischen Cordoba in einer proto-juedischen und juedischen Kultur erfuhr.
Im 13. Kapitel versuchen wir Hinweise auf diese juedische kulturelle Dominanz in den arabischen Quellen zu finden und die Grunde fur das Scheitern der orientalischen Kultur zu analysieren.
Im 14. Kapitel versuchen wir uns eine Vorstellung von der europaischen Urbevoelkerung zu machen. Die Quelle Ibn Fadian ist uns dabei eine grosse Hilfe, ebenso wie die Archaologie, die keinerlei Hinweise auf eine bodenstandige kulturelle Entwicklung gibt.
Im 15. Kapitel untersuchen wir die Belege, die die mittelalterliche Numismatik prasentiert. Dabei stellen wir fest, dass im Fruhmittelalter die Bedeutung des Heiligen ueber der des Bischofs stand, und dass erst im 13. Jahrhundert der Adel und die Bischofe die Machtstellung erlangen, die sie dann bis zur Neuzeit nicht mehr abgaben. Wir vermuten deshalb, dass die ursprungliche zivilisatorische Kraft aus einem egalitar-kommunitaristischen Christentum kam, das erst im 13. Jahrhundert privatisiert, burokratisiert und hierarchisierl worden ist.
Im 16. Kapitel beschaftigen wir uns mit der lateinischen und romanischen Sprache und pladieren dafur, die lateinische Sprache als Kunstprodukt der italienischen Renaissance zu betrachten und in der ibero-romanische Sprache die Mutter der romanischen Sprachen zu sehen.
Im 17. Kapitel analysieren wir neue englische und franzosische Studien, die den Mythos der "germanischen Landnahme" zur Zeit der Spalantike in Frage stellen, und darauf hindeuten, dass die Enteignung der Bauern aber auch der christlichen Gemeinden durch den sich jetzt formierenden Adel in Frankreich erst im 10. und 11. Jahrhundert stattfindet. Und wir stellen fest, dass der deutsche Adel vermutlich erst im 12. Jahrhundert entstand, als die graflichen Verwalter ihre Amter auf Kosten der christlichen Kommunen privatisierten.
Im 18. Kapitel beschreiben wir das 13. Jahrhundert als Zeit der intellektuellen Reaktion gegen die juedisch-arabische Kultur. Es ist die Zeit der Bucherverbrennungen und die Zeit der Geburt des abendlandischen Wellbildes. Wir stellen fest, dass die Universitaten des Abendlandes nicht am Anfang, sondern am Ende des kulturellen und oekonomischen Aufschwungs stehen.
Im 19. Kapitel weisen wir nur kurz daraufhin, dass die deutsche Literatur eigentlich erst seit dem 13. Jahrhundert wirklich nachweisbar ist. Und dass das Interesse an ihr regelmassig fur Jahrhunderte vollig abstirbt, jedenfalls findet erst seit dem spaten 18. Jhd eine kontinuierliche Rezeption statt.
Im 20. Kapitel untersuchen wir ausfuhrlich das Jiddische und pladieren dafur, diese Sprache als die lingua franca der Naturwissenschaften und der Wirtschaft in Mitteleuropa zu betrachten.Wir konnen durch Quellen belegen, dass diese Sprache und die juedische Kultur der deutschen Kultur sowohl im 16. als auch im 18. und 19. Jahrhundert die entscheidenden kulturellen Anstosse gegeben haben muss. Insbesondere fiel uns durch die Lekture des Elia Levita auf, dass das deutsche Wort "Schule" aus dem jiddischen Kulturkreis ins Deutsche gekommen sein muss.
Im 21. Kapitel beschaftigen wir uns vor allem mit den Autoren Schottelius und Spaten und stellen fest, dass ihnen und dem ganzen 17. Jahrhundert noch bewusst war, dass die deutsche Sprache von den Aschkenasini aus Babylonien ueber Kleinasien nach Europa gebracht worden war, wo es die einheimische Bevolkerung uebernahm.
Im 22. Kapitel weisen wir darauf hin, dass die juedische Kultur die einzige Kultur war, die eine kontinuierliche Forderung der Intelligenz vorweisen kann, wahrend es in allen anderen Kulturen zum regelmassigen Absterben der inslitulionellen Intelligenz kommt.
Im 23. Kapitel kehren wir zu der polit-oekonomischen Ausgangsfrage zuruck, fragen nach der Genese der oekonomischen Moderne. Wir stellen den christlichen Adel, das aufsteigende christliche buergertum und das sich konzeptionell auflosende juedische buergertum als die wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen vor. Wir sehen im juedischen buergertum die eigentliche kulturrevolutionare Kraft des 19. Jahrhunderts. Wobei das aufsteigenden christlichen buergertum des 20. Jahrhunderts eine eigentumliche Rolle zu spielen scheint, indem es den Wettbewerb mit dem juedischen Buergertum mit Hilfe des Staates und seiner politischen Gewalt erfolgreich zu ueberwinden versteht.